So etwas wie Zwischendurchgetwittert

10 Jugendliche anwesend. Neu dabei: Sandy, da sie gerade obdachlos geworden ist. Alex, unser Koch, hat sich in den Daumen geschnitten und musste schnell ins Krankenhaus gebracht werden. Sonja und Waltraud, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen, haben tapfer weiter gekocht. Dieses Mal sind bemerkenswert viele Jungs bei der Probe. Der Hunger und die Übernachtungsscheine für das Sleep In treiben sie zu uns. Und dann: Irgendeine Praktikantin hat sich dazu gesellt und wollte mit „unseren Jugdlichen bzw. unserer Projektidee“ unter der (plumpen) Überschrift „Vernetzung“ ihr eigenes Ding machen. Da hat Robert mal kurz seines Amtes walten und durchgreifen müssen. Ende der Durchsage.

(676 Zeichen – Mist! Ich versuch’s nochmal:)

10 Jugendliche, plus Sandy, weil nix Dach über Kopf. Koch Alex Daumen extrem-aua, Krankenhaus. Trotzdem Mampf, weil Sonja und Waltraud. Viele Jungs dabei, weil Hunger und ruhig Schlafenwollen. Aber: Dreiste Missbrauch-Aktion. Robert gar nicht witzig. Jupp.

(256 Zeichen – immer noch zu lang.)

10 Jugendliche, Sandy auch weil nix-Dach. Koch Alex Krankenhaus. Aber Essen. Viele Jungs. Robert dreht am Rad.

(111 Zeichen. Na also – endlich so, wie es sein soll.)

Christine Brügge

Ach, du bist Halb-Kurde? Dann spiel doch den Türken!

Die Truppe findet sich allmählich und ich hoffe, diesen Satz nicht wieder streichen zu müssen. Beim letzten Mal dabei: Georg, Nick, Martin, Desiree, Nina. Und ein Mädchen, das wollen tät, aber nicht können kann, weil es im siebten Monat schwanger ist und sein Kind ungern vor Publikum entbinden würde.

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Oh je! Oh je! So nicht. Aber: Hurra! Hurra! So doch.

Nein nein nein. Das habe ich falsch verstanden. Nick hat keine Band, sondern ist Solist. Und es geht auch nicht um den Musikpreis, sondern einen anderen. Mehr darf er nicht sagen und ich nicht schreiben, das verbietet sein Künstlervertrag, den er bei einer ziemlich bekannten Plattenfirma hat. Und tatsächlich: 1 Million Klicks beim besagten Video.

Christine Brügge

Wir hätten da noch einen Superstar im Programm

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Besetzungsliste diesmal: Nick.

Schlafend auf der Eckbank liegend. Als er aufwacht, Margareta und ich uns mit einer Mitarbeiterin zu ihm an den Tisch setzen, ist er deutlich überbetreut. „Ich kann“, überlegt Frau Regisseurin, „das Stück auch zu einem Ein-Personen-Stück umschreiben.“ Was ihr zum Glück erspart bleibt, da doch noch zwei Mädchen kommen. Desiree und Nina. Also tut Margareta das, was Margareta immer tut: Das Stück ganz von vorn erklären. Nick ist nun nicht mehr deutlich überbetreut, sondern deutlich ausgeschlafen. Macht immer wieder choreografische Vorschläge. Und erzählt nebenbei, dass er früher gehen müsse, weil er noch ein Radiointerview habe. Seine Band sei als Newcomer für den Musikwettbewerb XYZ nominiert. Ihr You-Tube-Video habe in einem Jahr 700 000 oder 7 000 000 Klicks erhalten, ich weiß das nicht mehr so genau. „Hast du das gehört?!“, sage ich sensationsgeschüttelt zur Regisseurin und sie sagt, solche Fälle hätte man bei KuB schon oft gehabt, das käme immer wieder vor, nimmt einen Keks, und „Zurück zur Tanzszene.“

Nick und Nina müssen tanzen. Nick und Nina wollen tanzen. Nick und Nina können tanzen.

Georg schleicht rein. Hatte verschlafen. Und muss jetzt auch tanzen. Leider muss Nick in diesem Moment zum Superstar-PR-Termin. Also ersetze ich ihn. Eingehakt stolpern Georg und ich wie ein zerstrittenes Rentnerpaar durch den Raum, was vor lauter Zank in verschiedene Richtungen zerrt oder sich beim gegenseitigen Überrennen – aus Versehen! – ein Bein stellt.

Anschließend versuchen Nina und Georg eine theatralische  Szene, die dadurch gebremst wird, dass Georg dramatisch übel ist. Margareta hat Erbarmen und lässt ihn sterben, das kommt ihm sehr entgegen.

Christine Brügge

*(Namen geändert)

Elefantenmensch ?!

Robert hat mein japanisches Projektionsflächengesicht (Skizze 2) als etwas bezeichnet, das ich nicht wiederholen möchte. Mit hochgezogenen Augenbrauen und abgespreiztem kleinen Finger poste ich daher eine Fassung, die die Projektionsfläche vielleicht etwas deutlicher macht. Tsis.

 

 

Die nachgeholte Ach-so-dann-kann-ich-verstehen-wieso-du-ihn-nicht-zusammengeschlagen-hast-Schubladen-Fighting-Blockade

Als ich das erste Mal bei KuB war, saß ich anschließend eine halbe Stunde im Auto, starrte vor mich hin, versuchte alles einzusortieren, kämpfte mit meinen Wertesystem-Schubladen, auf der Heimfahrt baute ich zwei Beinahe-Unfälle. Die vorletzte Woche hatte eine ähnliche Wirkung. Ein Grund von zweien, weshalb ich erst jetzt dazu komme, über sie zu schreiben.

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4 Fragen an… Regisseurin Margareta Riefenthaler

Wie ist das Theaterprojekt eigentlich entstanden?

Robert Hall hat vor 15 Jahren die Idee geboren, mit den Straßenjugendlichen mehr zu machen, als sie nur zu beraten. Sie in ein Theaterprojekt einzubinden, damit sie durch die Beschäftigung und das Theaterspielen wieder Selbstvertrauen bekommen.

Hat es sich im Laufe der Zeit verändert, entwickelt?

Ja, es hat sich von Jahr zu Jahr entwickelt. Ich lernte über die Arbeit, schwierige Situationen in Positives zu verwandeln. Die Darsteller bestmöglich in Szene zu setzen. Die Dramaturgie zu verbessern und den Schauspielern immer mehr zuzutrauen.

Die Arbeit ist ja nicht gerade einfach. Gab es Momente, in denen Sie gedacht haben: „Jetzt ist Schluss!“ – ?

Nein, das gab es nie. Mich hat die Herausforderung, fast Unmögliches zu tun, gereizt. Es gab jedes Mal neue Komplikationen, so wurde es nie langweilig. Ich konnte durch meine Erfahrungen immer schwierigere Inszenierungen erarbeiten.

Haben Sie über das Projekt auch etwas über sich selbst gelernt?

Sehr viel. Alle Schwierigkeiten, Ängste, Minderwertigkeitskomplexe, Unzulänglichkeiten und vieles mehr, fand ich über die Auseinandersetzung mit den Jugendlichen bei der Erarbeitung der Rollen auch bei mir selbst. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, viele meiner Schwächen zu überwinden. Wenn ich den Jugendlichen Ängste genommen habe, habe ich sie auch gleichzeitig bei mir selbst abgebaut.

Text: Christine Brügge, Foto: Smirki