Wo soll ich anfangen?

Wo soll ich anfangen? Bei meiner Kindheit? Ja, am Besten im Kindergarten.
Ich war immer ein sehr tolles, kreatives Kind, das sich von nichts bremsen ließ. Auch nicht vom Bobbycar, von dem ich sehr unglücklich fiel und seitdem eine unschöne Narbe am Knie trage. Ich trug immer Prinzessinenkleider und war an allem beteiligt. Immer hatte ich die tollsten Freundinnen und die besten Kumpels, seit kleinauf, meine „Brüder“.
Irgendwann kamen diese Jungs mir in der Kuschelecke zu Nahe und auch auf dem Spielplatz meines Kindergartens wurde ich angefasst von diesen Jungen, ohne es zu wollen. Ich verstand damals gar nicht, was das war oder ob ich mich nicht genug wehrte, als ich auf dem Boden lag, 3 Jungs über mich herfielen und mich betatschten. Der vierte von denen lief zu den Erziehern und so wurde ich noch gerettet. Danach kann ich mich nicht mehr an viel erinnern, ich weiß nur, dass ich ein sehr interessiertes, offenes und glückliches Kind war. Meine Mama holte mich immer vom Kindergarten ab. Meine älteste Schwester kochte täglich für mich und meine mittlere Schwester aß immer mit mir zusammen täglich Süßigkeiten.
Das änderte sich auch nicht in der Grundschule. Jeden Tag gab’s Süßes, Fernsehen und viele Bücher. Ich las sehr gerne und ich lernte auch viel, denn ich wollte unbedingt eine Empfehlung für das allgemein Gymnasium.
Leider war ich mit Mathe 3 nicht genug qualifiziert und so bekam ich eine Empfehlung für die Realschule.
Dort machte ich meinen Sekundarabschluss I und lernte meinen ersten Freund kennen.
Super Kerl. Dachte ich zumindest. Wir waren sehr glücklich und er war auch für mich da, jedoch ging er sehr oft fremd, was ich erst heute weiß (nach 5 Jahren). Wir passten nicht zusammen, er war zu nationalsozialistisch und ich zu demokratische. Lustig, wie das klingt. Er wurde mit den Monaten immer gemeiner zu mir, beleidigte meinen Migrationshintergrund des Öfteren und er liebte es, mich zu Handlungen zu zwingen und mir Angst einzujagen mit Suizidversuchen, falls ich mich von ihm trenne, konfrontierte er mich täglich. Es war sein oberstes Ziel mein Mitleid zu erlangen und mich ausnutzen zu können für seine „Dienste“. Erst wehrte und weigerte ich mich monatelang ihm näher zu kommen. Er redete allerdings auf mich ein, wurde aggressiv und redete mir viel Schwachsinn ein. Irgendwann gab ich nach, hörte auf ihn, ließ mich erniedrigen, bedrohen und missbrauchen. Jede Nacht weinte ich heimlich, musste ihm genau sagen, wo und mit wem ich bin. Es war keine Liebe mehr, es war Abhängigkeit, Kontrolle und Stalking. Er ließ mich nie alleine und er tauchte überall auf, wo ich war und schlug einigen Menschen ins Gesicht vor Eifersucht. Seine Eifersucht und seine kranken Verlustängste brachten mich dazu mich vom lautstarken, selbstbewussten, fleißigen Mädchen in ein Opfer zu entwickeln, welches sich nicht mehr wehren konnte vor Angst. Ich hatte Met Angst vor ihm, als vor irgendwem anderen auf der Welt. Wir gingen nun gemeinsam in die Schule und jederzeit tauchte er an verschiedenen Orten auf und bedrohte mich damit, dass er meiner Familie und meinen engen Freunden von unserer Beziehung erzählen würde. Ich hatte Angst und fing immer mehr an Menschen zu meiden und nicht zu essen. Dies war nachdem er und ich nach 1 1/2 Jahren zusammen auf dem Gymnasium unser Abitur machten. Ich beendete diese Beziehung, denn er hatte bereits eine neue, mit der er mich unzählige Male schon betrogen hatte, genauso wie seine „beste Freundin“, mit der hatte er mich auch bereits betrogen 1 Jahr vorher.

Ich dachte ich hätte meine Ruhe und versuchte mich auf mein Abitur und meine Freunde zu konzentrieren. Ich dachte, er lässt mich irgendwann bestimmt in Ruhe, immerhin hat er doch eine neue Freundin und ist glücklich. Er ignorierte mich zunächst, jedoch…

Leider endeten seine Gewaltübergriffe nicht. Er kam zu oft auf mich, schubste mich, beleidigte mich, bedrohte mich, terrorisierte mich. ‚Die türkische H..‘ war mein Spitzname bei ihm. Er grüßte mich mit Hitlergruß am Bahnhof, in der Schule und strich mich mit Edding auf dem Schulfoto, das im Foyer hing, durch. Er bedrohte mich im Sportunterricht, beleidigte mich als fett und drohte mir jeden Tag. Ich hatte Angst vor der Schule, denn aus Angst stellte sich niemand auf die Seite der 16-jährigen Realschülerin, die aufs Gymnasium nach der 10. gegangen ist. Ich hatte nur 2-3 loyale, hilfsbereite Menschen, alle anderen ignorierten oder beleidigten mich. Mein Ex und diese Kameraden ekelten mich von der Schule, also bemühte ich mich um einen Schulwechsel auf ein anderes Gymnasium.
Das wäre einfach gewesen, wenn nicht die ganze Schule über mein SVV, meine bis dahin extrem fortgeschrittene Essstörung und meine Tendenz zu Alkohol auf Partys, mitbekommen hätten. Ich wurde sehr billig dargestellt und obwohl meine Arme meiner Laune entsprechend aussahen, wurde ich unendlich diskriminiert. Von meinem Ex, Klassenkameraden, hinterhältigen Freunden und sogar von Kindheitsfreunden.
Ich versuchte mich zu fangen, doch als nach meinem Schulwechsel auf ein anderes Gymnasium wieder das Mobbing losging, weigerte ich mich zur Schule zu gehen. Und somit landete ich in der geschlossenen Psychiatrie. Anfangs kam ich mir dort fremd vor, doch irgendwann lernte ich zu begreifen, dass diese Menschen mir nur helfen wollen. Danach wollte ich zurück ans Gymnasium in die 12. Klasse, doch aufgrund meiner Fehlzeiten hätte ich in die 11. zurück müssen, obwohl ich bereits in der 12/1 MSS13 war.

Heute, nach 4 Jahren, habe ich lediglich meine Fachhochschulreife und eine schulische Ausbildung zur Assistentin für Fremdsprachen und Bürokommunikation absolviert. Von meinem allgemeinen Abitur kann ich bis heute nur träumen.
Ich arbeite nun in der Krankenpflege, allerdings gab es in der Krankenpflegeschule, an der ich von Oktober 2017 bis Ende November 2017 erneut Probleme mit mir selbst und so nahm ich wieder enorm ab, weinte viel und bekam erneut Angstzustände wegen meinem Ex Freund und den allgemeinen Situationen. So kam auch wieder ein wenig SVV ins Spiel, welche ich aber erfolgreich eliminierte.

Ich war sehr überfordert, doch dank meinem neuen Freund, der nun fast ein halbes Jahr mich begleitet geht’s mir gut. Er ist immer für mich da, er hört mir immer zu und er liebt mich aufrichtig, genauso wie ich ihn. Mein Freund hatte es selbst nie leicht im Leben, aber zusammen schaffen wir alles. Er hilft mir zu essen ohne meiner Angst vor Gewichtszunahme, zu schlafen, ohne ständig aufzuwachen und vor allem zu lachen, ohne ständig weinen zu müssen.

Ich weiß nicht zu 100% welche Erkrankungen ich habe, aber ich bin nun, nach über 4 Jahren bereit über meine Vergangenheit zu sprechen und sie zu verarbeiten.
Ich rate jedem Menschen, dem es Mal ähnlich ging dazu, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Das Leben ist zu kurz für Ängste, eine Essstörung oder Depressionen.

Vor allem zu jedem jungen Mädchen würde ich gerne sagen, wenn ich nochmal 16 wäre und die Gewissheit hätte, dass ich heute mit Mitte 20 einen so tollen Freund finden werde, würde ich mir nie Sorgen um mein Aussehen oder meine Figur machen.

„Man kann sich nicht aussuchen von wem man verletzt wird, aber man kann ein bisschen mitbestimmen von wem. Und ich bin mit meiner Wahl zufrieden, ich hoffe, das ist sie auch“ – John Green, Das Schicksal ist ein mieser Verräter

Evo B. (weiblich, 20 Jahre)
10.05.1997